Jahrbuch der orthodoxen Jeckes

Israel ist ein Einwandererland, welches in einem gewissen Sinne wie ein Schmelztiegel wirkt.

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Israel ist ein Einwandererland, welches in einem gewissen Sinne wie ein Schmelztiegel wirkt. Jedoch bleibt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Landsmannschaft bei vielen erhalten, und das ist gut so. Denn jeder Mensch sollte seine Geschichte kennen und Besonderheiten der Herkunftsfamilie nicht ohne triftige Gründe aufgeben. Die Juden, die aus Deutschland stammen – liebevoll und manchmal etwas herablassend "Jeckes" genannt -, sind in Israel gut vernetzt. Ein Irgun-Jeckes (Jeckes-Organisation) lädt zu Kultur-Veranstaltungen hier und da ein. Das Magazin "Yakinton" behandelt Themen, die für Jeckes-Nachkommen von Interesse sind. Gesetzestreue Jeckes betreiben "Machon Moreshes Aschkenaz" (The Institute for German-Jewish Heritage), das u.a. seit 2006 ein vielseitiges Jahrbuch, "Yerushaseinu" (unser Erbe) genannt, herausgibt.

Hier soll auf Band 8 von "Yerushaseinu" hingewiesen werden (erschienen in Bnei Brak 2015); 381 Seiten stark ist die vorzustellende Neuerscheinung. Wer sich für Tora-Erörterungen und für die Geistesgeschichte des deutschen Judentums interessiert, wird an "Yerushaseinu" 8 ohne Zweifel seine helle Freude haben! Leider ist es an dieser Stelle nicht möglich, die zahlreichen Beiträge angemessen zu würdigen; einige Artikel sollen aber doch in folgenden Absätzen erwähnt werden. Die Redaktion des Jahrbuchs hat eine vorzügliche Arbeit geleistet und verdient Lob.

Sowohl im Heiligen Land als auch in der Diaspora gibt es einige Gemeinden, in denen die synagogalen Bräuche (Minhagim) der deutschen Juden praktiziert werden. Wie in jeder Ausgabe von "Yerushaseinu", so ist auch im vorliegenden Band genau verzeichnet, was in diesem Jahr (5775) besonders zu berücksichtigen ist. So begleitet dieses Jahrbuch die frommen Leser vom Anfang bis zum Ende des jüdischen Jahres.

Mehrere Texte im vorzustellenden Buch handeln von religiösen Vorschriften und Bräuchen.
So erklärt ein Autor, warum es früher in Worms üblich war, am Schabbat und an Feiertagen die Haftara (einen Prophetenabschnitt) aus einer handgeschriebenen Rolle vorzutragen, nicht aber am 9.Aw (da las man die Haftara aus einem gedruckten Buch vor).
Eine andere Abhandlung geht der Frage nach, welches Gemüse man in der Seder-Nacht als Bitterkraut (hebr.: Maror) verzehren sollte. Viele Leser werden überrascht sein zu erfahren, dass es nach dem Religionsgesetz besser ist, die grünen Blätter vom Meerrettich zu essen als Stücke der scharfen weissen Wurzel.

Erwähnt seien zwei hervorragende wissenschaftliche Aufsätze, die historische Sachverhalte darlegen.
1.: Im Mittelalter wurden in deutschen Talmud-Schulen bestimmte Lern-Weisen entwickelt, die man nach dem Entstehungsort "Nürnberger" bzw. "Regensburger" nannte. Hat es auch einen "Augsburger" gegeben, wie der Historiker Heinrich Graetz behauptet hat? Der Autor weist nach, dass der "Augsburger" die Fehldeutung einer bekannten Argumentationsfigur ist, die in Wirklichkeit auf Jiddisch "Ausbrenger" genannt wurde und nichts mit der Stadt Augsburg zu tun hat.
2.: Eine materialreiche Abhandlung führt aus, welche Völker im Laufe der Geschichte als "Amalek" bezeichnet worden sind. Der Autor bemerkt, dass man unterscheiden muss zwischen direkten Nachkommen der biblischen Amalekiter und denen, die im Geiste Amaleks handeln. Verständlicherweise hat man die mörderischen Nazis oft Amalek genannt, aber schon viel früher auch andere Völker, welche Juden verfolgt haben; die Liste der Amalek-Inkarnationen ist erstaunlich lang.

Wie abgedruckte Leserbriefe beweisen, findet "Yerushaseinu" durchaus eine kritische Beachtung. Aber aus dem eigenen Bekanntenkreis weiß ich, dass es nicht wenige potentielle Leser gibt, die noch nie von diesem etablierten Jahrbuch in hebräischer Sprache gehört haben. Das ist sehr bedauerlich, denn diesen Leuten entgehen lehrreiche und mitunter herzerwärmende Beiträge zur jeckischen Tora-Kultur.

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