Sein oder Nichtsein!?

Darf ein Nichtjude zum Judentum übertreten? … Das Judentum unterscheidet sich von anderen Religionen u.a. dadurch, dass es nicht missioniert.

6 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Eine sehr oft gestellte Frage ist:„Darf ein Nicht-Jude zum Judentum übertreten?“
 
Die einfache Antwort ist: Ja! Aber welchen Grund sollte er dafür haben?
 
Das Judentum unterscheidet sich von anderen Religionen u.a. dadurch, dass es nicht missioniert. Dem Judentum ist der Gedanke fremd, alle anderen liegen falsch und deswegen müsste jeder Mensch auf der Welt jüdisch werden, damit er selber – und die ganze Welt – gerettet werden können.
 
Deshalb sollte sich jeder Mensch an seinem von Gott gegebenen Teil erfreuen und mit voller Freude annehmen und ausleben, wie und als was Gott ihn erschuf. Selbstverständlich gilt es dabei zu beachten, dass jeder Mensch auf der Welt dazu verpflichtet ist, Gott als Schöpfer von allem was existiert zu erkennen und deshalb auch an den Einen und Einzigen Gott zu glauben! An Gott zu glauben bedeutet zum Beispiel mit Ihm zu sprechen! So wie wir es gerade miteinander tun. Sie würden sicherlich niemals ein Gespräch mit einem Menschen führen, wenn sie nicht davon überzeugt wären, er höre ihnen nicht zu. Sie führen das Gespräch, weil sie wissen, jemand ist daran interessiert, zu hören was sie sagen. Deshalb sprechen sie ja. Wenn sie allerdings das Gefühl hätten, die Person, mit der sie sprechen sollen, hat kein wirkliches Interesse daran, ihnen zuzuhören, oder wenn sie bereits am Reden sind und bemerken, dass man ihnen gar nicht zuhört, dann werden sie auch nicht mit ihm sprechen, oder eben das Gespräch beenden! Gott hat alles – also auch uns Menschen – erschaffen, und wer behauptet an Gott zu glauben, der muss deshalb auch mit Ihm sprechen!
 
Die Formel dazu ist simpel: Wenn du glaubst, dann sprichst du! Du sprichst nicht, dann glaubst du auch nicht!
 
Und hier wieder zu ihrer Frage. Jeder Mensch kann und muss sogar mit Gott sprechen, sich mit Ihm austauschen, sich mit Ihm beraten und so weiter. Das ist auch das, was im Judentum sehr hervorgehoben wird. Aber wie gesagt – jeder  Mensch kann mit Gott sprechen, dazu muss er nicht gleich jüdisch werden.
 
Der Mensch unterscheidet sich von Natur aus von allen anderen Lebewesen dadurch, dass er immer etwas sucht, so als fehle ihm etwas. Die übrigen Lebewesen ruhen, sobald ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigt sind und solange sie von äußeren Einflüssen ungestört bleiben. Deswegen ist es in Zoologischen Gärten üblich, die Tiere nicht bis zur Sättigung zu füttern, sonst würden die Besucher die Tiere überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Sie würden sich nämlich faul zurückziehen, während sie nun hungrig auf der Suche nach Futter im Gehege umherstreifen.
 
Die Menschen dagegen ruhen sich niemals träge aus, auch wenn ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigt sind und nichts sie stört. In ihrem Innern fühlen sie etwas, dass sie umtreibt und eine Antwort auf die Frage suchen lässt, was das Leben sei und wozu man lebe.
 
Dr. Viktor E. Frankl, der bekannte Wiener Psychologe, hat die seelische Antriebskraft des Menschen untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass es die Suche nach dem Sinn des Lebens sei, was den Menschen antreibe. Und wenn dem Menschen der Sinn seines Lebens nicht einsichtig sei, dann stelle dies eine schwere Störung der seelischen Gesundheit dar. So beschreibt er in seinem Buch „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn“ das Phänomen der „Sonntagsneurose“ (Viktor E. Frankl, Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Auswahl. München 1979, S. 17): Gerade am arbeitsfreien Tag fielen die Menschen besonders in Depressionen, weil sie die Inhaltsleere ihres Lebens spürten. Es komme, so sagt Frankl, zu Selbstmorden oder auch zu Erscheinungen wie Trunksucht und Kriminalität. In den Krisensituationen, die Rentner und Pensionäre durchmachten, deute sich dasselbe Problem eines sinnentleerten Daseins an.
 
Auch aufgrund seiner Erfahrungen in einem Arbeitslager während des 2. Weltkrieges kommt Dr. Frankl zu dem Schluss, dass der stärkste Antrieb des Menschen die Suche nach Lebenssinn sei. Sobald der Mensch ihn finde, werde sein Leben gehaltvoll. Dies führe ihn zur Erfüllung, selbst wenn er mit Schwierigkeiten fertig zu werden habe.
 
Ein Mensch sucht also den Lebenssinn. Der Lebenssinn äußert sich darin, dass man an Gott glauben sollte, weil Gott ja die ganze Welt nur erschaffen hat, damit wir Ihn hier auf unserem Planeten erkennen und auch kennenlernen, so wie es ausführlich in unserem Buch: Im Garten des Glaubens oder Im Garten des Friedens (allerdings ist dieses Buch nur für den Mann bestimmt) beschrieben wird.
 
Wenn jemand allerdings als Nichtjude Ambitionen verspürt, jüdisch werden zu wollen, dann sollte er sich zunächst darüber informieren, was es bedeutet als Jude zu leben, also gemäß den Gesetzen der Thora und dann wird er den Willen jüdisch zu werden, wohl schnell wieder verlieren. Jüdisch werden wollen, dann aber nicht die Gesetze der Thora zu beachten, geht nicht! Es gibt viele die hier den Einwand bringen, dass es sehr viele Juden gibt, die nicht die Glaubensregeln beachten. Solche gibt es, aber sie sind bereits als Juden geboren! Sie müssen nicht jüdisch werden! Wer aber ein Jude werden möchte, muss auch die Regeln beachten, wie sie die Thora vorschreibt. Deswegen sind alle Übertretungszeremonien von Reformgemeinden oder dergleichen einfach nur Scharlatanerie, da ein Nichtjude auf diese Weise niemals ein Jude werden kann! Ein Jude kann man also nur werden, wenn man bereit ist, ein frommes und somit religiöses jüdisches Leben nach den Gesetzen der Thora zu führen. Die Thora bringt als perfektes Beispiel für einen perfekten Übertritt, den Übertritt von Yitro, dem Schwiegervater von Moses. Ein Mann lässt sein gesamtes bisheriges Leben hinter sich und lebt dann als gläubiger, frommer und gesetzestreuer Jude. Israelliebe oder die Liebe zu einer Jüdin reichen leider nicht aus, um einem Nichtjuden eine Konvertierung zu gewähren. Aber man muss ja als Nichtjude nicht um jeden Preis jüdisch werden, um die Seligkeit zu erhalten.  Es reichen die Beachtung der Sieben Noachischen Gebote!
 
Halten wir also fest: Nicht jeder, der sich entschließt, an den Einen und Einzigen Gott zu glauben, muss sogleich zum Judentum konvertieren. Sich Theorien zu entsagen und an Stelle dessen nur an den einen allmächtigen Gott, der die Welt erschuf und unser Dasein lenkt, zu glauben, muss nicht automatisch bedeuten, Jude werden zu müssen.

In Europa sind die Noachiden leider noch recht unbekannt, wogegen sie in den USA zu einer großen Bewegung geworden sind. Nicht jeder, der an den Einen und Einzigen Gott glaubt ist dafür gemacht, sich an die 613 Ge- und Verbote der Thora zu halten, also ein halachisch korrektes jüdisches Leben zu führen. Die sieben Gesetze für die Noachiden, ermöglichen es jedem Nichtjuden, sein Leben ganz normal und ohne größere Einschränkungen oder Änderung seiner bisherigen Identität weiterzuleben. 

Die Noachidischen Gesetze bilden sozusagen einen kleinen Teil der 613 Ge- und Verbote der Thora und erhielten ihren Eigennamen, also Noachidische Gesetze, da ja die gesamte Menschheit von Noach und seinen Söhnen abstammt.
 
Nachdem Noach mit seiner Familie die Arche verließ, machte Gott einen neuen Bund mit den Menschen, dabei traten die bereits vor der Sinnflut bekannten sechs Gesetze, welche Gott Adam und Eva im Paradies übergab, wieder in Kraft. Der neue Bund beinhaltete nun aber auch einen Zusatz, der von nun an den Menschen erlaubte Fleisch zu essen. Noach erhielt somit das siebte und letzte Gesetz der sieben Noachidischen Gesetze. 

Ein Noachide so wie jeder Nichtjude kann theoretisch zum Judentum konvertieren, aber wenn er Jude geworden ist so bleibt er halachisch für immer ein Jude, egal ob er diesen Schritt bereut und sich vielleicht sogar einer anderen Religion zuwendet.
Der Talmud (Traktat Sanhedrin, Seite 56 a) erklärt, worauf es bei der Einhaltung der Noachidischen Gesetze ankommt, wo diese verankert sind und auch wie sie lauten:

1. Einführung von Gerichten als Ausdruck der Wahrung des Rechtsprinzips.

2. Verbot von Gotteslästerung, was bedeutet, dass der Name bzw. die Namen Gottes nicht geschändet oder einfach nur sinnlos verwendet oder eben ausgesprochen werden dürfen.

3. Verbot von Götzenanbetung und Götzendienst. Demnach ist man also dazu verpflichtet nur an den Einen und Einzigen Gott zu glauben, der weder eine Gestalt hat, noch sonst jeglichen körperlichen Begriffen unterliegt und somit auch nichts mit Ihm Ähnlichkeit hat.

4. Verbot von Unzucht, also der Enthaltung jeglicher sexuellen Perversionen.

5. Verbot von Mord.

6. Verbot von Diebstahl.

7. Verbot der Brutalität gegen Tiere. Demnach sind jegliche Tierquälereinen ein Tabu. Deshalb darf auch nicht ein Organ, Blut oder ein Gelenk von einem lebenden Tier entfernen und verzehren.

 
Im Talmud werden diesen sieben Gesetzen noch das Verbot der Sterilisation und des Wahrsagens hinzugefügt.

Wer diese sieben Gesetze auf sich nimmt, der ist automatisch ein gerechter Nichtjude und hat einen Platz in der kommenden Welt (Olam Habah) (siehe Talmud, Traktat Sanhedrin, Seite 105 a). Im Judentum glauben wir, dass jeder gerechte Mensch einen Platz in der kommenden Welt hat. Egal ob Jude oder Nichtjude. Niemand wird ausgeschlossen.

Wie wir sehen, ermöglichen also die Noachidischen Gesetze jedem einzelnen, sein Leben – wie bereits gesagt – ganz normal und ohne größere Einschränkungen oder Änderung seiner Identität weiterzuleben. Die komplexen Gesetze der Thora – wie die der Kaschrut (Koschergesetze) – sind für einen Noachiden ohne Belang. Beispiel: Er darf durchaus nicht rituell geschächtetes Fleisch essen, wogegen einem Juden solches Fleisch verboten ist. Des Weiteren dürfen Noachiden auch keinen Sabbat halten.
 
Und auch wenn ein Nichtjude bereit ist alle 613 Ge- und Verbote der Thora einzuhalten und auszuführen, dann sollte man immer noch nicht überhastet zum Bet Din (jüdisches Gericht)  laufen, sondern zunächst einmal mit diesem Wunsch zu Gott! Und Ihn fragen, was denn die persönliche Lebensbestimmung ist! Ein Mensch muss Gott also bitten ihm ins Herz zu legen, was man zu tun oder zu lassen hat … ! 
 
Ich hoffe ich konnte mit dieser Antwort begeistern und vor allem auch helfen.
Alles Liebe und herzliche Schalom Grüße aus Jerusalem

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1. Ray Martini

10/07/2019

Es hört sich sicher total überheblich an aber entweder ist man Jude oder man ist es nicht. Ich bin Jude und ich bin Stolz darauf denn das ist eine ganz besondere Beziehung zu G*tt. Ich bin Stolz das ich wohl einer der wenigen Juden bin die viele hunderte Jahre den "Beleg" dazu bringen kann. Aus einer ganz anderen Sicht: Jude sein ist mit den Jahren sehr schwer geworden was auch unsere Torah so ausdrückt. Wer auch immer zum Judentum kommt sollte betont wirklich im absolut festen Glauben stehen.

2. Arne

11/12/2012

Shabbat? Der Text ist echt gut und ich bin dankbar, dass ich ihn gefunden habe, aber eine Frage bleibt, warum darf ich als Nichtjude, aber jemand der sich an diese 7 Gebote hält keinen Shabbat feiern? Ansonsten fand ich den Text echt gut. Ich gehöre zu den Menschen, die dem Judentum sehr nahe stehen, noch mehr Gebote als die 7 halten, aber der nicht konvertieren will. Ich wußte nicht, dass ich mit diesen 7 Geboten als gerecht gelte. Also der Text hat mich echt gesegnet

3. Arne

11/12/2012

Der Text ist echt gut und ich bin dankbar, dass ich ihn gefunden habe, aber eine Frage bleibt, warum darf ich als Nichtjude, aber jemand der sich an diese 7 Gebote hält keinen Shabbat feiern? Ansonsten fand ich den Text echt gut. Ich gehöre zu den Menschen, die dem Judentum sehr nahe stehen, noch mehr Gebote als die 7 halten, aber der nicht konvertieren will. Ich wußte nicht, dass ich mit diesen 7 Geboten als gerecht gelte. Also der Text hat mich echt gesegnet

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