Symbol jüdischer Frömmigkeit

Über die Kopfbedeckung der Männer ist in der halachischen (religionsgesetzlichen) Literatur im Laufe der Jahrhunderte immer wieder geschrieben worden.

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Über die Kopfbedeckung der Männer ist in der halachischen (religionsgesetzlichen) Literatur im Laufe der Jahrhunderte immer wieder geschrieben worden. Rabbiner Arje David Wasserman, der aus Nordamerika stammt und heute in Jerusalem lebt, hat sich die keineswegs leichte Aufgabe gestellt, diverse Erörterungen zu diesem Thema in einer Monographie zusammenfassend darzustellen. Der Autor, der sich sowohl als Rechtsanwalt als auch als Halacha-Lehrer einen guten Namen machte, hat enorm viel Material gesammelt und leserfreundlich aufbereitet.  Entstanden ist ein beeindruckendes hebräisches Werk, das 1500 Seiten (!!) umfasst. Erwähnenswert ist, dass in beiden Bänden von "Ozar HaKippa" sieben Empfehlungsschreiben (hebr.: Haskamot)  angesehener Tora-Lehrer abgedruckt sind.

Von der solide gearbeiteten Studie, die Wasserman im Selbstverlag veröffentlicht hat, kann ohne Zweifel jeder profitieren, der an tiefschürfenden Tora-Diskussionen interessiert ist. Der Verfasser bespricht eine Vielzahl praktischer Fragen; hier seien nur wenige Beispiele angeführt. Darf man ohne Kopfbedeckung Tora studieren? Ist Amen-Sagen nach einem Segensspruch ohne Kippa erlaubt? Was ist zu tun, wenn ein Mann unabsichtlich ohne Käppchen gebetet hat? Wie soll man sich im Schwimmbad oder am Meeresstrand  verhalten? Wann ist ein Jude verpflichtet, seine Kopfbedeckung abzulegen, um eine Entweihung des göttlichen Namens ( hebr.: Chillul HaSchem) zu vermeiden? In Streitfragen referiert der Verfasser die Argumente beider Seiten in der gebotenen Ausführlichkeit. Wasserman erweist sich als ein kenntnisreicher Lehrer, der sogar komplizierte Sachverhalte scheinbar mühelos verdeutlichen kann.

Ein halbes Dutzend halachischer Gutachten zum Themenbereich der vorliegenden Monographie sind im Wortlaut abgedruckt. Zu Responsa des bekannten italienischen Rabbiners Leon Modena (1571-1648) hat Wassermann eine informative Einleitung sowie erläuternde Anmerkungen verfasst. Auch den türkischen Rabbiner Elieser Nachum (1763-1844) stellt er ausführlich vor, dessen Responsum über Barhäuptigkeit in einem öffentlichen Badehaus hier zum ersten Mal im Druck erscheint.

Der Autor geht jedoch nicht nur auf halachische Fragen ein. Er bespricht zum Beispiel auch etliche Deutungen, die das Kippa-Tragen erfahren hat. So wird im Babylonischen Talmud (Schabbat 156 b) berichtet, die Mutter von Rabbi Nachman Ben Yizhak habe zu ihrem Sohn gesagt: "Bedecke Dein Haupt, damit Du Gottesfurcht habest!" Wasserman zieht aus dieser Anweisung den Schluss, dass wer eine Kopfbedeckung trägt, dadurch ein positives Gebot (Mitzwa) der Tora erfüllt, nämlich das immerwährende Gebot der Gottesfurcht (siehe Dewarim, Kap. 6,13 und Kap. 10,20). Umgekehrt kann man natürlich feststellen, dass jemand, der ohne Käppchen spazieren geht, die Mitzwa, den Ewigen stets zu fürchten, nicht berücksichtigt hat.

In seinem Buch "Symbole des Judentums" (Wien 1995) schreibt Rabbiner Marc-Alain Ouaknin: "Der genaue Sinn der Kippa ist nicht bekannt, sie ist vielleicht ein Zeichen des Menschen für seine Beziehung zu Gott." Warum heisst es in diesem Satz: "vielleicht"?  Das ist gewiss der Fall; wir erwähnen diesen Sachverhalt jeden Tag im Morgengebet, wenn wir im Hinblick auf die Kopfbedeckung sagen: " Gesegnet seiest Du, Ewiger, der Israel mit Würde krönt". So wichtig ist die Kopfbedeckung als Symbol jüdischer Frömmigkeit, dass ihr ein eigener Segensspruch im Morgengebet gewidmet wurde. Der Verfasser geht auch auf die Frage ein, warum es üblich ist, dass Frauen diesen Segensspruch ebenfalls sagen.
 

Gegen Wassermans Monographie wird möglicherweise jemand einen Einwand erheben, den schon manche Wissenschaftler zu hören bekamen, die eine an sie gestellte Frage sachgemäß beantwortet haben: "So genau wollten wir die Sache nicht wissen!" Gewiss, nicht jeder möchte alle Feinheiten eines Problems erfassen, aber es ist doch sinnvoll, dass ein Thema einmal von allen Seiten her beleuchtet wird. Dass er sich hätte kürzer fassen können, braucht man Wasserman nicht vorzuhalten; in seinem 2009 erschienenen hebräischen Buch "Hegjone HaParascha: Schemot" hat er das Thema der männlichen Kopfbedeckung auf weniger als 100 Seiten abgehandelt! Natürlich ist die zweibändige Monographie wesentlich inhaltsreicher. Jeder Tora-Lerner kann entscheiden, welches Format ihm persönlich im Augenblick mehr zusagt.

Yizhak Ahren

Rabbiner Arje David Wasserman, Ozar HaKippa (hebräisch), 2 Bände, Jerusalem 2014.

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.