Begeisterung für jüdische Spiritualität

Ist eine Broadway-Aufführung vorstellbar, in der der Held ein Tora-Lehrer ist? Tatsache ist, dass im Musical "Soul Doctor" ...

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Ist eine Broadway-Aufführung vorstellbar, in der der Held ein Tora-Lehrer ist? Tatsache ist, dass im Musical "Soul Doctor" (Seelenarzt) eine historische Gestalt auf die Bühne gebracht wurde: Rabbiner Schlomo Carlebach (1925 – 1994). Schlomo, wie er von allen genannt werden wollte, war ein charismatischer Künstler, der auf mehreren Gebieten Außerordentliches geleistet hat. Jeder, der ihm begegnet ist – und wo ist er nicht aufgetreten? -, war von seiner Warmherzigkeit und Freundlichkeit angetan. Über seine Praxis der Nächstenliebe sind zahlreiche Anekdoten im Umlauf.

Für ein umfangreiches Buch über Schlomo hat Rabbiner Dr. Nathan Ophir  die vorhandene Literatur ausgewertet und außerdem mehr als 200 Personen interviewt. Seine Biographie versucht das, was viele für unmöglich gehalten haben: ein Gesamtbild zu zeichnen. An vielen Stellen merkt man, dass der Biograph mit seinem Helden sympathisiert, aber er ist sichtlich um Objektivität bemüht und lässt daher auch Kritiker zu Wort kommen. Zahlreiche Fotos lockern die Textseiten auf und illustrieren das Beschriebene.

Der Autor hat nicht sämtliche Auftritte von Schlomo aufgelistet, obwohl er doch sehr viele erwähnt. Wesentlich wichtiger ist, dass er die fröhliche Stimmung schildert, die Schlomo in seinen Happenings auszubreiten pflegte. Er sang Lieder, die er komponiert hatte, und forderte das Publikum zum Mitsingen und Tanzen auf. Zwischen den Musikstücken erzählte Schlomo kleine erbauliche Geschichten. Seine Begeisterung für jüdische Spiritualität war unmittelbar spürbar und wirkte auf das Publikum ansteckend.

 Für viele Leute waren Schlomos Konzerte nicht mehr als eine nette Unterhaltung; aber für einige markierten die Veranstaltungen einen  Wendepunkt in ihrem Leben: Schlomo wurde für sie zu einem Wegweiser. Ophir erzählt die Geschichten einer Reihe von Schülerinnen und Schülern, die von Schlomos religiöser Haltung beeinflusst wurden.

Wie ist Schlomo zu einem Wanderprediger geworden? Wir erfahren, dass er aus einer berühmten deutschen Rabbinerdynastie stammte. In der Nazizeit konnte die Familie nach Amerika auswandern.Dort hat Schlomo in den besten Talmud-Akademien studiert und kam in Berührung mit großen chassidischen Meistern ( Bobov, Modzitz und Chabad). Es war der Lubawitscher Rebbe, der Schlomo und seinen Kumpel Rabbiner Zalman Schachter Ende 1949 als Emissäre an amerikanische Unis schickte. Ihre Botschaft kam bei den jüdischen Studierenden überraschend gut an. Aber am Ende trennten sich beide Botschafter – aus unterschiedlichen Gründen – von der chassidischen Gruppe, die sie in die weite Welt geschickt hatte. Sie machten sich selbstständig.

Seine erste Schallplatte hat Schlomo 1959 veröffentlicht. Da er immer bekannter wurde, konnte er eine internationale Karriere als Sänger starten. Als die sogenannte Gegenkultur in Kalifornien aufkam, wurde Schlomo der berühmte Rabbiner der Hippies. Er machte es zu seiner Aufgabe, jungen jüdischen Menschen, die sich weit von der Religion ihrer Väter entfernt hatten, Freude am Jüdischsein zu vermitteln. Von 1968 bis 1978 existierte in San Francisco das von Schlomo inspirierte "House of Love and Prayer". Ophir rekonstruiert die wechselvolle Geschichte dieser Institution und stellt die wichtigsten Mitwirkenden vor. Er skizziert auch die Entstehung von Moschav Me`or Modi`in in Israel; in dieser Ortschaft wohnen heute noch viele Carlebach-Anhänger.

Schlomo hatte keine Berührungsängste und führte mit mehreren Vertretern fernöstlicher Religionen einen Dialog. Einmal fragte ihn ein Hindu-Geistlicher:" Schlomo, versuchst du gerade, einige meiner Anhänger abzuwerben?" Dieser antwortete:" Nein. Ich lade sie nur ein, nach Hause zurückzukehren". Ophir weiß zu berichten, dass Schlomo bei diesem Versuch zumindest in einem Fall erfolgreich war.

Ophir versteht die Aufgabe eines Biographen darin, möglichst viele Begebenheiten zu erzählen. Von einer psychologischen Deutung des Materials hat er sich ferngehalten. Das entspricht unserem Zeitgeist: Charakterologische Analysen sind aus der Mode geraten. Auf die Ergänzungsbedürftigkeit seiner Studie macht der Autor dadurch aufmerksam,dass er einen zweiten Band ankündigt. In jenem Buch hat er vor, Schlomos Lehren und Tora-Auslegungen zusammenfassend darzustellen. Da hat er sich wahrlich eine schwere Arbeit vorgenommen. Wir wünschen ihm frohes Schaffen und sind auf die Ergebnisse seiner Bemühungen schon jetzt gespannt.

Nathan Ophir ( Offenbacher ), Rabbi Shlomo Carlebach. Life, Mission, and Legacy. Urim Publications. Jerusalem  2014, 504 Seiten, 39,95 $.

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