Inmitten des Sturmes

Der innere und äußere Lärm hat im Leben vieler Menschen die Herrschaft übernommen.

3 Min.

Andrea Jockisch

gepostet auf 04.04.21

Gestern herrschten hier starke Orkanböen. Hoch oben von den Balkonen fielen die Blumentöpfe herab. Plastikschalen schossen wie Frisbeescheiben durch die Gegend. Socken von den Wäschetrocknern flogen durch die Luft. Anderenorts fielen die Bäume um wie Dominosteine und beschädigten die Stromleitungen.

 

Auch in unserem Leben ist nicht immer alles nur Sonnenschein. Rabbi Nachman lehrt uns in schwierigen Situationen zu beten: "Oh Gott, sieh meinen Schmerz. Sieh die ständige Anspannung und Angst, unter denen ich funktionieren muss, – unter denen ich nicht funktionieren kann. Rühre mein Leben an mit Deiner Liebe, mit Deiner Stärke, mit Deiner Weisheit. Auf mir lastet mehr als ich alleine ertragen kann."

 

Manche von euch haben vielleicht schon eine lange Lebensreise hinter sich – eine sehr lange und stürmische. Manche haben Lasten getragen, die wenige von uns hätten tragen können. Andere haben ihrem Partner auf schmerzhafte Weise Lebewohl sagen müssen. Vielleicht wurden dir langjährige Träume geraubt. Oder du hast einen Partner, der deinen Glauben nicht erträgt. Die Rechnungssumme übertrifft die Summe auf deiner Gehaltsabrechnung. Vor dir stehen Herausforderungen, die deine Kraft bei weitem übertreffen und dich psychisch und physisch ermüden lassen.

 

Es fällt dir sicherlich nicht leicht, den Weg der Emuna inmitten des tobenden Sturmes zu erblicken. Der Drang, am Wegesrand stehen zu bleiben und auszuharren, scheint unwiderstehlich. Du willst weitergehen, aber an manchen Tagen da scheint der Weg endlos lang zu sein.

Gott hat nie gesagt, dass der Weg leicht sein würde. Aber wir können Seinen Zusagen vollstes Vertrauen schenken, denn Er hat uns versprochen, dass Er uns niemals mehr auferlegen wird als wir tragen können.

Vergiss daher eines nicht: Gott tut vielleicht nicht, was du dir wünscht, aber Er tut, was richtig und was das Beste für dich ist. Er ist der himmlische Vater, der alles voranbringt. Vertraue Ihm!

 

Rabbi Nachman aus Breslev schreibt darüber in seinem Werk Likutey Moharan Band 1, Lektion 222: "Wenn du dich niedergeschlagen fühlst, obwohl du glücklich sein möchtest, dann schöpfe Kraft aus vergangenen, glücklichen Tagen. Am Ende wird die Freude zu dir zurückkehren."

Dein himmlischer Vater möchte dich immer wieder daran erinnern, was Er dir in deinem Leben Gutes getan hat, Gutes tut und Gutes tun wird: "Wenn du an Mich denkst, erinnere dich an die Stunde, in welcher du Mich am liebsten hattest."

 

Rabbi Nachman wusste, dass uns besonders auf dem spirituellen Weg vor allem das Gefühl zermürbt, dass wir zu viele Pflichten zu erfüllen haben. Stattdessen riet er uns, dass wir uns ausschließlich auf die unmittelbar bevorstehende Aufgabe konzentrieren. Auf diese Weise können wir sogar die beängstigendsten und schwierigsten Hindernisse überwinden.

 

Lass die Schwierigkeiten des Alltags dein Leben nicht aus den Fugen geraten! Innere Ruhe erhältst du und zu neuen Kräften findest du, wenn du täglich die Stille erfährst.

 

Leider ist die Stille im Alltagsleben einiger Menschen selten geworden. Viele empfinden es sogar als Mangel, abgeschnitten zu sein von der Informationsflut, von den gewohnten Geräuschen, von den angesagtesten Musikclips und aktuellen globalen News, von Smalltalk, Klatsch-und-Tratsch-Magazinen und Meinungsterror. Solche Menschen wollen nicht allein sein, sich nicht mit sich selbst befassen und deshalb auf keinen Fall die Stille ertragen müssen.

 

Der innere und äußere Lärm hat im Leben vieler Menschen die Herrschaft übernommen. Privatfernsehen, ständige Musikberieselung nicht nur im Supermarkt, Drogeriemarkt, Klamottengeschäft; Lebenszeit raubende Computerspiele, aggressive Werbung – all diese Einflüsse, die auf uns einströmen, machen uns irgendwann unfähig, die Stille zu ertragen. Und wer die Stille nicht kennt, der ist all den lärmenden Reizen hilflos ausgeliefert.

 

Gerade heute brauchen wir die Stille mehr denn je. Denn Gottes Stimme spricht leise zu uns, weil Er möchte, dass wir mit allen Sinnen auf Ihn aufmerksam werden. Zu hören ist Er, wenn Seine Stimme nicht von allen Seiten übertönt wird.

 

Ebenso sind die meisten guten Ideen in der Stille entstanden – wovon ich aus Erfahrung sprechen kann. Einige Menschen verstehen nicht, warum ich oft Zeit für mich selbst brauche. Ich nehme sie mir einfach, weil ich die Zeit der Stille mit meinem Schöpfer genieße. Sie verschafft mir inneres Gleichgewicht und sorgt somit für klare Gedanken. Und wenn ich klare Gedanken habe, dann fließen die Worte für meine Artikel frei aus meinem Herzen.

 

Zugegebenermaßen war ich die vergangenen zwei Wochen nicht wirklich imstande, Artikel zu schreiben, weil ich mich in einem psychischen Tief befand. Das passiert, wenn Menschen versuchen, mich in meiner Meinung und meinen Entscheidungen zu manipulieren, weil sie denken, sie könnten die Macht über meine Gedanken und mein Handeln übernehmen. Also nahm ich mir die Zeit, mich etwas zurückzuziehen und in der Stille wieder zu mir selbst zu finden. Oftmals muss man dabei Geduld mit sich selbst haben, um die Trümmerhaufen, die Leute in einem hinterlassen, nach und nach beseitigen zu können. Geduld mit sich und Liebe zu sich selbst zu empfinden, ist sehr von Bedeutung, um wieder zu Kräften zu kommen – und das vor allem mit der Hilfe von oben.

 

Du hast einen himmlischen Vater, der dir zuhört, wenn du dein Herz vertrauensvoll vor Ihm im Gebet ausschüttest. Du hast die Macht Seiner unendlichen Liebe hinter dir, und Seinen göttlichen Geist in dir. Gott weist dir den Weg an jeder Straßenkreuzung. Er ist dein heller unauslöschlicher Kerzenschein für jeden dunklen Winkel, und Er ist dein Anker inmitten des Sturmes. Mit Ihm hast du alles, was du brauchst, um dein Leben mit Bravour meistern zu können.

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