Mitgefühl 4

Fortsetzung und Abschluss der Serie: Beispiele wie mitfühlende und gewaltfreie Kommunikation aussieht

4 Min.

Rivka Levy

gepostet auf 03.12.19

Die meisten Menschen reagieren nicht absichtlich grausam, sie sind sich einfach nicht dessen bewusst, dass es einen anderen Weg gibt, auf andere Menschen zu reagieren. Die folgenden Beispiele sollen ganz deutlich vor Augen führen, was der Unterschied ist. Wenn du die Beispiele liest, versetze dich in die Lage der Personen. Halte an und frage dich, wie würdest du reagieren, und wäre das eine mitfühlende Reaktion? Wie würdest du dich fühlen, wenn man so auf dich reagiert? Und frag dich, welche Gespräche es in deinem Leben gibt, in denen Mitgefühl fehlt?

 

 

Der Freund mit Geldnöten

 

Hans hat eine ungute Investition gemacht. Die Schulden sind riesig und das Haus der Familie wird zwangsversteigert. Hans Frau Lisa trifft einige Tage nach dieser Katastrophalen Nachricht ihre Bekannte Anna.

 

Wenn Anna kein Mitgefühl hat, ist ihr die Situation im besten Fall peinlich und sie eilt nach ein paar Worten weiter. Im schlimmsten Fall ist Anna ein neugieriger Typ und fragt ein paar interrogative Fragen und gibt dann einen Kommentar ab wie: "Oh jeh, wie wollt ihr denn all eure schönen Möbel in eine drei-Zimmer-Wohnung quetschen? Und für das Ess-Geschirr von deiner Großmutter ist bestimmt auch kein Platz mehr…" Von diesem Gespräch geht Lisa nach Hause, völlig demoralisiert, verzweifelt, und allein.

 

Eine mitfühlende Anna reagiert anders:

 

1. Sie fragt, wie es Lisa geht, und nimmt sich Zeit, zuzuhören.

2. Sie gibt keine schnellen Lösungen und wenn ihr nur Plattheiten einfallen, zieht sie es vor, zu schweigen. Sie gibt Lisa einfach die Möglichkeit, Last abzulagern. Und wenn Lisa nicht darüber sprechen will, akzeptiert sie es, und zügelt ihre Neugier.

3. Anna versteht, was Lisa jetzt braucht und gibt es ihr: Bestärkung, Verständnis und Freundschaft.

Nach so einem Gespräch geht es Lisa in dieser schrecklichen Situation ein bisschen besser.

 

 

Der Chef

 

David hat einen verantwortungsvollen Job in einer großen Kanzlei. Termine müssen um jeden Preis eingehalten werden. David mag seinen Job und ist gut darin, er hält Termine ein und sein Chef ist sehr zufrieden mit Davids Zuarbeit. Auch heute sitzt David wieder mit seinem Chef an einem wichtigen Deal. Da bekommt David plötzlich einen Anruf: Sein geliebter Vater ist ganz plötzlich und unerwartet gestorben. David muss gehen und sich um die Beerdigung kümmern.

 

Ein Chef ohne Mitgefühl ist sauer, dass David ihn mitten in der Arbeit allein lässt. Natürlich weiß er, dass David nichts dafür kann, dass sein Vater verstorben ist. Trotztdem ist er wütend und lässt es David wissen. Es ist ihm egal, wie es David geht, er fragt nur, wie lange David maximal bleiben kann, ohne die Beerdigung zu verpassen, und wann er wieder zurück ist. Der Chef sieht nur den Stress auf Arbeit, David als Mensch ist ihm egal.

 

Ein mitfühlender Chef reagiert anders.

 

1. Er weiß, dass David eine enge Verbindung zu seinem Vater hatte. Er nimmt David zur Seite und bespricht mit ihm ih Ruhe, wie lange David frei braucht, um sich um alles zu kümmern und seinen Schock und seine Trauer zu überwinden.

2. Ein mitfühlender Chef versteht, dass David nur noch hier ist, weil er ihn nicht plötzlich mit der Arbeit allein lassen will.

3. Der Chef übernimmt also die Kontrolle über die Situation und gibt David, was er jetzt braucht. Er weist David an, zu gehen und sich um die Beerdigung zu kümmern. Er versichert ihm, dass David ihnen beim Abschluss des Deals fehlen wird, dass er sich aber keine Sorgen machen muss, er der Chef, bekäme das mit ein paar Junior-Partners schon hin, David habe ja bis hierher alles wunderbar vorbereitet.

 

Danach fühlt David sich bestärkt und kann ich ohne schlechtes Gewissen auf seine Familie konzentrieren und Trauer und Schock verarbeiten, ohne den Stress der Arbeit auf den Schultern.

 

 

Das tote Haustier

 

Emmas 10-jährige Tochter hat einen Wellensittich bekommen, nachdem sie lange darum gebeten hat. Emma ist gar nicht begeistert von Krach und Schmutz, aber hat schließlich eingewilligt. Die Tochter muss sich selbst um den Vogel kümmern. Sie tut zur Dekoration ein Tuch in den Käfig. Eines Tages sieht Emma, dass der Vogel seltsam dick ist und nich aufhört, panisch zu essen. Sie versteht, dass er wohl von dem Tuch gegessen hat und jetzt versucht, die Verstopfung durch mehr essen zu überwinden. Am nächsten Tag kommt Emmas Tochter völlig aufgelöst zu ihr: der Vogel ist tot.

 

Wenn Emma kein Mitgefühl für ihre Tochter aufbringt, wirft sie ihr vor, dass sie selbst Schuld ist, das war ja auch eine dumme Idee, das Tuch in den Käfig zu tun. Emma geht und tütet den toten Vogel ein und entsorgt ihn, froh, dass diese Episode vorbei ist. Für die Tränen ihrer Tochter hat sie kein Verständins.

 

Eine mitfühlende Emma reagiert anders.

 

1. Sie untersucht die Situation. Der Vogel ist wirklich tot, nichts zu machen. Emma nimmt ihre Tochter in den Arm und teilt einfach ihren Schmerz.

2. Emma merkt, dass ihre Tochter sich Vorwürfe macht. Sie versichert ihr, dass sie sich mit Liebe um den Vogel gekümmert hat. Wenn sie ihr sagt, dass das Tuch Schuld war, dann ohne ihr einen Vorwurf zu machen, sie versichert ihrer Tochter, dass sie das ja nicht wissen konnte.

3. Sie gibt ihrer Tochter was sie braucht: Ein Begräbnis für den Vogel, durch das die Tochter Abschied nehmen kann.

 

Emmas Tochter ist immer noch traurig, aber sie fühlt sich sicher und und verstanden.

 

 

Was für eine Art Mensch willst du sein? Wie willst du auf andere reagieren?

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