Seele trifft göttliches Licht

Frage: Braucht Gott die Menschen? Und wenn ja, warum und wozu? Anders gefragt, gibt es da, manifestiert sich in dem Verhältnis, eine Interdependenz?

Antwort: Zwischen HaShem und uns besteht keine Interdependenz (gegenseitige Abhängigkeit). Im Gegenteil, HaShem braucht uns nicht, aber dennoch hat Er großes Wohlgefallen an uns. Wir aber brauchen HaShem sehr.

Die menschliche Seele bildet einen Teil unseres himmlischen Schöpfers. Als die Seele sich an ihrem ursprünglichen Ort befand, genoss sie dort das all erhellende und unglaublich wohltuende göttliche Licht, ein großartiges Gefühl. Allerdings war sie dem Allmächtigen spirituell und emotional nicht wirklich nahe, weil es ihr nicht gelang, die Quelle ihres Wohlbefindens zu ermitteln, sie konnte den Schöpfer nicht finden. Die Seele nahm also lediglich dieses atemberaubende Licht wahr, für sie war es traumhaft, ohne aber zu wissen, wer dieses faszinierende Licht ausstrahlt, was dessen Eigenschaften sind, was seine Tugenden und Aktionen sind, was seine Kräfte und was sein Wille ist, etc.

Stell dir vor, du würdest einer wunderbaren Person gegenüberstehen, die Geborgenheit, Zugehörigkeit, Vernunft, Schönheit und Liebe ausstrahlt. Mit so einer Person unterwegs zu sein, würde dir sicher richtig gut tun und auch wirklich Spaß machen. Eben deswegen würdest du nach einem wundervollen Tag mit Sicherheit nicht einfach Ciao sagen, ohne zuvor die Kontaktdaten ausgetauscht zu haben. Du würdest auf jeden Fall mehr von dieser Person in Erfahrung bringen wollen; den Wunsch verspüren, den Kontakt mit dieser Person weiter zu vertiefen, um mit ihr in einer echten und erfüllenden Beziehung zu stehen. Es ist also ausgeschlossen, dass du dich allein von der Freude, die diese Person dir bereitete, zufrieden gegeben hättest, ohne erfahren zu wollen, wer sie ist, etc.

Dasselbe Prinzip gilt im Himmel! Im Garten Eden gibt es außer dem atemberaubenden Licht, das alles wunderbar erhellt und allem sofortigen Genuss vermittelt, einfach nichts anderes. Es macht Spaß, dort zu sein, es tut im Herzen gut, es ist traumhaft, alles ist vollkommen und perfekt. Die Seele ist dort somit nicht auf die Hilfe oder Barmherzigkeit des Schöpfers angewiesen. Sorgen, Kummer, Schwierigkeiten und Probleme oder eine Begegnung mit dem bösen Trieb, solche negativen Erscheinungen gibt es im Himmel nicht.

Ebenso wenig ist eine Seele im Paradies darauf angewiesen, dass der Schöpfer ihr verzeiht oder ihre Entschuldigungen annimmt. All diese Tugenden kommen nur in einem Leben auf unserer abenteuerlichen Welt in Betracht. Der Seele war es an ihrem ursprünglichen Ort unmöglich, ihren Schöpfer zu entdecken.

Der Sinn und Zweck der gesamten Erschaffung der Erde liegt also darin, die Barmherzigkeit des Schöpfers zu erkennen, Seine unbeschreibliche Liebe im Herzen zu spüren. Und wenn Er diese Welt nicht erschaffen hätte, hätte niemand Seine unbeschreibliche Liebe und Barmherzigkeit emotional erfahren können. Gott erschuf in Seiner Barmherzigkeit unseren Planeten also nur aus dem einen Grund, Seine Barmherzigkeit und Liebe der Menschheit zu offenbaren.

Nur hier auf Erden ist ein jeder Mensch jeden Augenblick auf die Barmherzigkeit des Schöpfers angewiesen. Die Seele, der es also im Himmel gut ging, es für sie traumhaft schön war, wollte sich dennoch nicht mit den wundervollen Gefühlen, welche sie im Paradies erlebte, abspeisen lassen. Sie störte es sehr, dass sie nicht die Quelle ihres Wohlbefindens ermitteln konnte. So blieb ihr keine andere Wahl. Sie selbst wollte ihren ursprünglichen Ort in Richtung körperliche Erde verlassen, um so ihren barmherzigen Schöpfer – dessen Liebe keine Grenzen kennt – endlich authentisch kennenzulernen und mit Ihm wahrhaftig in Berührung zu kommen.

Rabbiner David Kraus (M.A in Psychologie und Integrativer Psychotherapie | Dipl. Paar- und Familientherapeut | Dipl. Pädagogischer Elternberater) finden Sie bei Facebook.