Tourismusmetropole

Die Stadt Jerusalem hat Touristen viel zu bieten. Ein Besuch im Israel-Museum lohnt sich immer ...

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Frömmigkeit und Lebensfreude – Chassidim im Museum

Die Stadt Jerusalem hat Touristen viel zu bieten. Ein Besuch im Israel – Museum lohnt sich immer: bekannt ist das markante Gebäude, in dem einige Rollen, die in den Höhlen von Qumran gefunden worden, zu bewundern sind.

Sehenswert ist auch das große und eindrucksvolle Modell der Stadt Jerusalem zur Zeit des 2. Tempels. Im Augenblick ist eine Sonderschau zu besichtigen, die Einblicke in die Welt des zeitgenössischen Chassidismus gewährt; geplant ist, dass diese Schau bis zum 20. November 2012 geöffnet bleibt.

Die Kuratorin der Ausstellung, Ester Muchawsky-Schnapper, arbeitete 6 Jahre lang, um die informative Schau auf die Beine zu bringen, und man kann ihr bescheinigen, dass  sie eine vorzügliche Arbeit vorgelegt hat. Es geht  darum, die Gegenwart einer Bewegung jüdischer Frömmigkeit Aussenstehenden  nahezubringen. In nur wenigen Räumen (Geschichte,Kinder,Frauen,Männer,Zeremonien) sind so viele Gegenstände und Bilder untergebracht, dass man allmählich das Gefühl entwickelt, mit der zunächst exotisch wirkenden Welt  vertraut zu werden.

Die 250-jährige Geschichte des Chassidismus kann eine ethnografische Ausstellung nicht darstellen -im englischsprachigen Katalog skizziert Arthur Green diese wechselvolle Entwicklung -, und auch die Philosophie der Chassidim ist im Rahmen eines Museums nicht zu verdeutlichen – man lese zu diesem Thema die materialreiche Studie von Karl Erich Grözinger (Frankfurt 2005). Jedoch wird durch eindrucksvoll gezeigt, wie chassidische Männer, Frauen und Kinder sich kleiden,  wie sie im Alltag leben und wie sie Feste feiern.

Ein riesiger Stammbaum, der Besuchern beim Betreten des ersten Raumes sofort ins Auge springt, verdeutlicht , wie weitverzweigt der Chassidismus ist. In den folgenden Räumen ist dann immer von besonderen Strömungen die Rede. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden erkennbar. An der Spitze jeder Richtung steht ein verehrter Meister ("Rebbe"), zu dem seine Anhänger einen engen Kontakt pflegen. Wie dieses Verhältnis in der Praxis aussieht, wird in einigen kurzen Filmen von Tisch-Zeremonien gezeigt. Hier wird gesungen, getanzt, gegessen und Tora gelernt. Die Lebensfreude, die bei diesen Gelegenheiten aufkommt, ist geradezu ansteckend. Im  schönen Katalog beschreibt Muchawsky-Schnapper u.a. die Tisch-Zeremonie der Rebbes, aber die Filme in der Ausstellung bieten wesentlich mehr: man erlebt diese mitreißenden Situationen so, als wäre man dabei. Wer das chassidische Leben bisher als trist und freudlos ansah, wird seine Meinung rasch revidieren.

Einzelne Gegenstände, die in der Ausstellung zu sehen sind, regen zum Nachdenken an. So werden z.B. Hochzeitsringe gezeigt, die nicht rund, sondern quadratisch sind. Chassidim erklären, dass die quadratische Form dem hebräischen Buchstaben "Mem" ähnelt, der für die Glückwunschformel "Mazal tow" steht. Diese Ringe sind übrigens aus Silber und nicht aus Gold; es soll nicht an die Sünde vom "Goldenen Kalb" erinnert werden. Anhänger des Rabbi Nachman aus Breslev werden staunen, das Original eines wichtigen Briefes ihres Meisters sehen zu können; ebenso steht ein prunkvoller Sessel da, auf dem er gesessen haben soll.

Von den zahlreichen beeindruckenden Fotos sei hier eines besonders hervorgehoben: da wird eine Zeremonie gezeigt, bei der es darum geht, die Wirkung eines bösen Blickes ("Ajin HaRa") abzuwenden; über den Kopf des "Patienten" hält jemand eine Pfanne , in die eine Flüssigkeit gegossen wird. Man fragt sich, ob diese Maßnahme wirklich hilfreich ist. Die Beteiligten scheinen jedenfalls daran zu glauben.

Die Ausstellung ist übrigens auch für Chassidim interessant. Der Karliner Rebbe, Rabbi Baruch Shochat, durfte die Ausstellung sogar schon vor ihrer Eröffnung besuchen. Jede chassidische Gruppe ist relativ geschlossen, und ein Besuch im Museum ermöglicht Chassidim nun, das Geschehen bei den anderen Gruppen zu beobachten. Für Aussenstehende ist Muchawsky-Schnappers Arbeit ein Glücksfall:  hier kann jeder in nur zwei Stunden solche Erfahrungen sammeln, zu denen man sonst kaum einen Zugang hat. Und auch wer sich um einen Zugang bemüht, bräuchte Jahre, um die Tiefe und Vielseitigkeit des zeitgenössischen Chassidismus  erkennen zu können.

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