Geheimnisse der Thora

Ein großer Zaddik nimmt deshalb jede noch so unglaubliche Mission auf sich, um der Menschheit ein Licht zu sein.

6 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Heute möchte ich mit euch etwas ganz Besonderes aus dem Buch Hosea lernen. Im Prophetenbuch Hosea 1, Vers 2 heißt es: „Als der HERR anfing zu reden durch Hosea, sprach Er zu ihm: ‚Geh hin und heirate eine Hure. Mit ihr sollst du Hurenkinder zeugen. Das ist ein Sinnbild dafür, dass das Land zur Prostituierten geworden ist: Es hat den Bund mit Mir gebrochen und ist vom HERRN abgefallen.‘“

 

Hosea heiratete daraufhin Gomer, die Tochter Diblajims. Unsere Weisen, z.B. der Tirgum Jonathan ben Uziel, Avraham Even Esra, Rabbi David Kimchi, der Radak und auch der Rambam, also der Maimonides – sind alle der Meinung, dass es sich hier bei der Aufforderung Gottes, Hosea soll eine Hure heiraten nicht tatsächlich so wortgetreu zu verstehen sei. Hier sei vielmehr die Rede von einer Art Traum, in dem es sich so – wie im Prophetenbuch beschrieben – abgespielt hat. Der Schöpfer dem Hosea also im Traum offenbarte und ihm sagte er solle die Hure zu seiner Frau nehmen.

 

Rashi und Rabbi Isaac Abarbanel und auch noch weitere der Weisen Israels sprechen aber dagegen. Sie stützen sich auf den im Talmudtraktat Psachim erwähnten Auslegungskodex der Prophetenbücher, welcher besagt, dass wir alles, was in unseren Prophetenbüchern steht, ganz einfach und simpel für uns werten müssen und nicht darüber spekulieren sollen, ob es sich tatsächlich ereignete oder sich nur um einen Traum handelt. Wenn also nicht ausdrücklich geschrieben steht, dass es nur ein Traum war, dann war es auch keiner, so Raschi. Nun gut, wenn es nun aber tatsächlich so war, dass der Schöpfer dem Hosea wahrhaftig aufforderte eine Hure zu heiraten, so müssen wir uns nach dem Warum fragen. Wie kann es also sein, dass der Schöpfer von so einem großen Propheten wie Hosea verlangt, dass er sich auf eine Prostituierte einlässt? Wieso passiert das? Der Vers selbst gibt die Antwort darauf. Das gesamte Land und das ganze Volk gaben sich der Prostitution hin, weil es den Bund mit Gott brach und es von Ihm abgefallen ist.

 

Genau hier liegt das Geheimnis, warum. Gott möchte, dass ein Zaddik wie der Prophet Hosea einem Menschen helfen muss und soll. Ein großer Zaddik nimmt deshalb jede noch so unglaubliche Mission auf sich, um der Menschheit ein Licht zu sein. Jeder von uns ist ein großes Licht, wir müssen einander eine wahre Hilfe sein, man kann aber nur dann wirklich eine Hilfe sein, wenn man sich selbst in solch einer schweren o.ä. schlechten Situation befindet, eine negativ Situation also selbst hautnah erlebte. Gott verlangte von Hosea: „Ich will, dass du für Meine Kinder ein Licht bist. Aber du kannst nur dann ein Licht sein, wenn du dich genau in ihrer Lage befindest. Daher gehe und heirate eine Prostituierte. Dadurch, dass du dann mit ihr zusammen bist, wirst du Mein Volk in ihrem Tun praktisch verstehen können und auf diese Weise für sie eine Hilfe sein, da du den Weg ins Paradies kennst.“

 

Was Gott Hosea auferlegte, war ein Extremfall. Gott brachte ihn in solch eine Situation, um für uns ein Licht zu sein. Ein effektives Licht kannst du erst dann sein, wenn du verstehst, was im anderen Menschen vor sich geht. Das ist die Aufgabe eines Zaddiks.

 

 

„Wie konnte mir das passieren?“

 

Ab und dann befinden wir uns in Situationen, in denen wir uns fragen: „Wie konnte mir das passieren?“

Du siehst große Rabbiner und Persönlichkeiten, die einst ein Leben ohne Gott führten und ihr Leben schlagartig zum Guten eine Wende nahm. Warum hatten diese tollen Rabbiner und starken Persönlichkeiten so eine prachtlose Vergangenheit? Weil Gott möchte, dass du die Situation, in der du dich derzeit befindest, durchlebst und schmeckst, um anschließend ein Licht sein zu können. Auch dir kann es passieren, dass du in deinem Leben mitten in einer Phase steckst und dich dabei fragst: „Warum muss gerade ich das durchmachen? Warum befinde gerade ich mich in solch einer Lage? Warum trage ich diese bösen Begierden und Leidenschaften in mir?“ Weil Gott möchte, dass du genau in diesem Punkt gläubig wirst. Denn das ist das Höchste vom Höchsten.

 

An Purim trinken wir guten Wein. Nun stell dir vor, man sagst dir, dass es für dich tabu ist, diesen Wein zu trinken. Es ist ein sehr guter Wein und du darfst ihn aber nicht trinken. Es gibt drei Kandidaten, welche auch ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, nicht von diesem exquisiten Wein zu trinken. Bei diesem Experiment werden alle drei Kandidaten mit einer versteckten Kamera gefilmt.

Der erste Kandidat betritt den Raum und schaut die Flasche an. Die Flasche spricht zu ihm: „I am Genie in the bottle. Komm her und lass mich heraus! Trinke und hab deinen Spaß.“ Er nimmt die Flasche und trinkt sie vollständig bis auf den letzten Tropfen aus. Ihm wurde ausdrücklich gesagt, dass er die Flasche nicht trinken soll, tat es aber trotzdem.

 

Der zweite Kandidat ist nun an der Reihe. Auch er bekommt solch eine Flasche. Zu ihm spricht die Stimme aus der Flasche, dass er aus ihr trinken soll. Aber er rührt den exquisiten Wein nicht an und trinkt keinen Tropfen von ihr.

 

Der dritte Kandidat geht hin und auch ihn spricht der Geist aus der Flasche an. Er holt den Flaschenöffner, lässt den Korken knallen und trinkt von dem kostbaren Wein. Die halbe Flasche trinkt er, dann aber erinnert er sich, dass er ja nicht trinken darf, so stellte er die daraufhin wieder zurück.

 

Was denkt ihr? Welcher dieser drei Kandidaten befindet sich aus spiritueller Sicht am höchsten Level?

 

  • Kandidat 1, der die Flasche nicht trinken sollte, aber die ganze Flasche bis auf den letzten Tropfen leerte?
  • Kandidat 2, der den Wein nicht trinken sollte, die Flasche daher nicht anrührte?
  • Kandidat 3, der nicht von dieser Flasche trinken sollte, aber die Hälfte des Inhaltes trank und den Rest stehen ließ?

 

ANTWORT: Kandidat 3 befindet sich aus spiritueller Sicht auf der höchsten Stufe. Warum?

 

  • Kandidat 1 hat versagt, weil er seinem bösen Trieb folgte.
  • Kandidat 2 war stark und konnte somit der Versuchung widerstehen, nicht von diesem Wein zu trinken.
  • Kandidat 3 befand sich in der Versuchung, von der Flasche zu trinken, und begann den Wein zu schmecken. Trotz der Tatsache, dass dieser ein kostbarer und guter Wein war, hat er dennoch Distanz zur Flasche schaffen können. Solch ein Mensch bezeichnet man als ein Baal Teschuva.

 

Von dieser Welt zu schmecken, davon abzulassen und den Weg zu Gott zu finden, ist das Höchste vom Höchsten. Und deshalb führt Gott einen Menschen in solch eine Situation hinein. Es ist nicht gewollt, dass ein Mensch sich selbst solche Prüfungen sucht, weil einem Menschen die Probe von Gott auferlegt wird.

 

Wir finden uns ab und zu in Situationen wieder, wo ein Mensch eine Sünde begeht. Gott lässt dich in deinem Leben etwas durchlaufen, damit du dagegen demonstrierst: „Mein Herz will diese Sache nicht.“ und dabei deinen wahren Willen erkennst.

 

Wir sehen also vom Propheten Hosea, dem wahren Zaddik, welche Aufgabe ihm von Gott auferlegt wurde. Ein Zaddik ist ein Weiser Israels, der den Inhalt der Tora studiert und das Wort Gottes nicht verfälscht, keines hinzufügt und keines wegnimmt. Die Weisen Israels zeigen uns den Weg, wie den eines Propheten.

Beim Auszug der Israeliten aus Ägypten ist bei der Plage der Finsternis ¼ von ihnen gestorben, weil sie Moses keine Kraft zusprachen, da er ihnen nicht helfen konnte. Die Weisen selbst sagen, dass die bösen Begierden in diesen Menschen an Intensität zunahmen. Somit begingen sie den Fehler zu denken, dass Moses ihnen mit all seiner Kraft und Stärke, die ihm Gott verlieh, nicht helfen konnte. Daher sind sie in die totale Hilflosigkeit gestürzt. Natürlich hilft ein Zaddik einem Menschen, aber ein Mensch muss auch lernen, eine Auslesung zwischen seinen bösen Begierden und seinem wahren Willen zu tätigen. Deinen Heiligen Geist und deine spirituelle Seele musst du in dir entdecken. Diese Arbeit wird am schwierigsten, wenn du dich in dieser Atmosphäre befindest – im Sündenfall. Du bist derjenige, der diese Situation mit der allumfassenden Seelenkorrektur bewältigen kann.

 

Zusammenfassend: Gott hat dem Propheten Hosea auferlegt, eine Prostituierte zu heiraten, weil er ein Licht für die Kinder Gottes sein muss. Ein wahres Licht kann man nur sein, wenn man einen Menschen in seiner Lage versteht. Dazu gibt es ein passendes Sprichwort: „Nur ein Satter kann einen Hungrigen nicht verstehen.“ Nur ein Hungriger kann also auch einen Hungrigen in seiner Situation verstehen.

Letzten Endes schaffte es der Prophet Hosea, die Prostituierte Gomer zum Glauben an Gott zu führen.

 

Das was wir bis jetzt zu diesem Thema besprochen haben, ist natürlich die kabbalistische, also mystische Auslegung dieser Erzählung aus dem Prophetenbuch. Die Tora ist ein Pardes, der Pardes ist die Abkürzung der vier Methoden der Toradeutung. Wir sprechen hier von: Pschat = wortgetreu, Remes = allegorisch, Drusch  = auslegend, Sod = geheim mystisch.

 

Die einfache, also wortgetreue Auslegung dieser prophetischen Erzählung, war deshalb viel einfacher. Viele denken, dass Hashem der Schöpfer des Lebens Sein Volk verwerfen wollte. Das war aber nicht so. Im Gegenteil, es war Hosea, der Hashem den Ratschlag gab, Er solle sein Volk verwerfen, da sich das Volk der Prostitution hingab: „Das ist ein Sinnbild dafür, dass das Land zur Prostituierten geworden ist: Es hat den Bund mit Mir gebrochen und ist vom HERRN abgefallen.“ (Hosea 1, Vers 2)

Und da Hosea Hashem dazu riet, sein Volk zu verwerfen, hat Hashem dann dem Hosea aufgetragen die Prostituierte zu heiraten. Nachdem Hosea mit Gomer, seiner Frau, gemeinsam drei Kinder hatten, erlaubte Hashem dem Hosea sich scheiden zu lassen. Hosea war empört, schließlich hatte er ja drei Kinder mit ihr.

Daraufhin zeigte sich Hashem sehr verwundert und sagte zu Hosea: „Du rätst Mir, Ich soll Mein Volk verwerfen, willst aber deine Frau der Kinder wegen nicht verlassen und das, obwohl es ja nicht mal sicher ist, dass die Kindern tatsächlich deine sind! Wie also kannst du Mir dann nur so einen Ratschlag geben, Ich solle Mein Volk verwerfen?“ Die wortgetreue Erzählung soll uns also offenbaren, wie sehr Hashem uns liebt

Dazu sagte König David im Psalm 94, Vers 14: „Der Ewige wird Sein Volk nicht verstoßen und niemals Sein Eigentum verlassen.“

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