Pikuach Nefesch

Diese Art Hilfe ist eine lebensrettende Aktion, also „Pikuach Nefesch“. Wer helfend handelt, rettet der betroffenen Person dadurch definitiv ihr Leben ...

2 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 15.03.21

FRAGE: In welche Kategorie des Helfens würde folgender Fall aus jüdischer Perspektive eingeordnet werden: Man sieht nachts eine Frau an der Straße sitzen, hält an und fragt, ob sie Hilfe braucht. Man sieht eindeutig, dass sie psychisch instabil ist, und will ihr helfen. Man redet ein wenig mit ihr und es stellt sich heraus, dass sie (26 Jahre) aus einer psychischen geschlossenen Anstalt geflohen ist. Man redet auf sie motivierend ein; erklärt, dass dort sitzen zu bleiben keine Option ist und letztendlich willigt sie ein, Hilfe anzunehmen (sie Frau glaubt an Gott). Da man mit Auto unterwegs ist, fährt man sie „heim“.

 

In der Anstalt sind Nachtbetreuer, die deutlich wenig Ahnung von der Psyche und dem Problem der Frau haben und ein wenig dominant wirken, als würden sie die Frau nur umerziehen, aber nicht verstehen wollen. Der Frau hinterlässt man seine Nummer, falls sie jemanden noch mal braucht.

 

Was könnte man in weiteren Schritten Richtung Hilfe tun?

 

ANTWORT: Die beste Hilfe ist hier, die Betroffene zu ermuntern, sich helfen zu lassen. Jemand, der an einer psychischen Erkrankung leidet, weiß oft selbst nicht, dass er Hilfe benötigt. Vielleicht lehnt die Betroffene Hilfe ab. Doch spätestens wenn man bemerkt, dass sie eine Gefahr für sich selbst oder für andere darstellt, reicht es nicht mehr aus, sie nur zu ermuntern, etwas zu unternehmen. Professionelle Hilfe ist dann unumgänglich, daher ist es richtig, die Betroffene „heim“ zu fahren. Es wird dann mit Sicherheit besprochen, was die Beweggründe der Betroffenen waren, die Klinik zu verlassen – mit dem Fokus auf die Analyse, wovor genau sie „geflohen“ ist.

 

Ich persönlich bevorzuge Fachkliniken für Psychosomatik und Psychotherapie. Ich verstehe Psychotherapie als „Heilen durch Beziehung“: Das Kombinieren tiefenpsychologischen Verstehens mit verhaltenstherapeutischer Problembewältigung und gezielter Ressourcenaktivierung ist oftmals eine echte Hilfe für die Betroffene. Dein Part muss sein, Emuna zu spenden, dass HaShem die Betroffene liebt, sie aus dieser Phase heraus begleiten wird und sie nicht alleine ist.

 

Diese Art Hilfe ist eine lebensrettende Aktion, also „Pikuach Nefesch“. Wer helfend handelt, rettet der betroffenen Person dadurch definitiv ihr Leben, denn ohne Hilfe zu bekommen, wird die Betroffene über kurz oder lang ihr Leben nicht als lebenswert empfinden, und so ist der Weg zum Suizid leider oft nur noch ein Schritt ins Verderben, Gott bewahre. Wer also so eine Ausnahmesituation sieht, bewusst wegschaut und rein gar nichts unternimmt, vergeht sich vielleicht auch an: „Du sollst deinem Nächsten nicht nach dem Leben trachten.“ 3. Buch Moses, Kapitel 19, Vers 16.

 

Im positiven Umkehrschluss erfüllt der Helfende viele Gebote, wie „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und vieles mehr.

 

 

Rabbiner David Kraus (M.A in Psychologie und Integrativer Psychotherapie | Dipl. Paar- und Familientherapeut | Dipl. Pädagogischer Elternberater) finden Sie bei Facebook.

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